Laiendarsteller werden zu Leinwandhelden

Filmprojekt zeigt ein Beispiel für gelebte Integration mitten in einem kleinen Dorf in Thüringen. 27. Januar 2017 / 02:45 Uhr.

 

Katharina Kerner (links) vom Bundesprogramm Demokratie Leben erö!net den Filmabend diese Woche in der Grundschule in Wormstedt. Foto: Sascha Margon

Eckolstädt. Als eher gedrückt beschreibt Katharina Kerner die Stimmung im Publikum, nachdem der Abspann über die Leinwand läuft. Auch wenn der Film, der gerade gezeigt wurde, berührt, so wurde dabei auch herzlich gelacht, kommentiert Kerner vom Bundesprogramm Demokratie Leben den Filmabend.
50 Minuten dauert der Dokumentarstreifen „Mit anderen Augen“ von der Weimarer Regisseurin Anita Leyh. Die zwanzig Zuschauer in der Grundschule Wormstedt lassen ihn vor dem geistigen Auge Revue passieren, gehen in sich.
Die Geschichte, die die Zuschauer berührt, spielt in Eckolstädt im Weimarer Land. Es ist das Jahr 2016. Rund 200 Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan kommen in dem 500 Seelendorf auf der Saaleplatte in Unterkünften unter.
Stürmische Versammlungen und Zeiten voller Vorurteile und Angst gehen mit dem Ankommen der Fremden einher. Keine einfache situation für das kleine Dorf Eckolstädt.
Anita Leyh will das mit ihrem Film ändern. Sie will die scheinbar Fremden zueinander bringen und lässt die Protagonisten ihre Geschichte selbst erzählen. Dass dies vor allem Frauen sind, ist Leyh ein Anliegen. „Die Idee, geflüchtete Frauen zu Wort kommen zu lassen, schwebte mir schon länger vor. So kam der Anstoß aus Eckolstädt genau im richtigen Moment“, sagt die Weimarer Dokumentarfilmerin im TAGespräch.
Und so werden im Sommer 2016 drei syrische und drei Frauen aus dem Dorf gleichsam zu Regisseurinnen, Autorinnen und Darstellerinnen. Die Frauen erzählen ihr Leben, sprechen über ihre Flucht nach Deutschland, zeigen wie sie wohnen – stellen ihre Familien vor. Es wird über Kulturen berichtet, die einander doch so fremd sind. Warum tragen die Frauen Kopftücher und warum werden junge Mädchen so früh verheiratet? Neben diesen immer wiederkehrenden Fragen, gibt es auch die ganz gewöhnlichen Alltagsprobleme zu wälzen, die Menschen haben, auch wenn sie vielleicht tausende Kilometer trennen und die auch in der Fremde tagaktuell sind.
Auch hier gibt der Film, geben die Frauen eine Antwort.
In den anschließenden Filmgesprächen wollen die Zuschauer in erster Linie wissen, wie es den Frauen heute geht; wie sieht ihr Weiterleben in Deutschland aus; was machen die Kinder, der Mann und wie ist die aktuelle Stimmung im Dorf?
Oft können die Protagonisten persönlich auf die Fragen antworten, weil sie bei den Filmvorführungen mit anwesend sind. Zehn Vorstellungen hat es schon gegeben. Von der Saaleplatte ging es nach Weimar Bad Berka, Bad Sulza oder Jena. Der nächste Termin ist am kommenden Mittwoch in Pößneck, ein weiterer im Februar in Jena und auch in Magdala wird man die Geschichte sehen können.
Dass dies nicht eines von vielen Projekten ist, war Anita Leyh bereits bei den ersten Tre!en zur Vorbereitung klar geworden. „Wir haben oft zusammengesessen, gemeinsam gekocht und uns die Geschichten angehört über die lange Flucht und den Krieg. Dabei hatten wir alle Tränen in den Augen und sind uns sehr nahe gekommen.
Es war alles sehr emotional.“, erzählt Anita Leyh. Ganz natürlich sind bei dem Projekt Freundschaften entstanden.
Der Film steht als Beispiel für gelebte Integration. Dies zeigt auch die Resonanz bei den Filmgesprächen. Auch wenn die Frauen sehr zurückhaltend in der Fremde reagieren, so ist es ihnen o!enbar ein großes Anliegen auf die Deutschen und ihre Kultur zuzugehen.
Damit das Beispiel Schule macht, will man den Film noch oft zeigen. Gemeinden, Kultureinrichtungen oder Schulen können sich dafür über die Homepage der Dokumentarfilmerin anmelden. Neben zahlreichen Anfragen aus ganz Deutschland, die derzeit personell noch nicht zu bewältigen sei, ist eine thüringenweite Tour bereits in Planung.

Sascha Margon / 27.01.17